Verwässerung Genossenschaftsanteile I Vorstandshaftung

Vorbemerkung I Vorstandshaftung bei Verwässerung von Genossenschaftsanteilen I Haftung des Aufsichtsrats

In den neuen Ländern entstanden nach den Umwandlungen von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) in den Jahren 1990/1991 mehrere hundert Agrargenossenschaften.

Ursprünglich zählten die neuen Agrargenossenschaften eine hohe Zahl von Genossenschaftsmitgliedern und verfügten aus heutiger Sicht über geringes Genossenschaftsvermögen. Nach über 30 Jahren kann im Jahr 2023 festgestellt werden, dass in diesen Agrargenossenschaften nur noch sehr wenige Genossenschaftsmitglieder auf der Mitgliederliste stehen und nach harter Arbeit und gutem Wirtschaften das Vermögen der Agrargenossenschaft exorbitant stieg. Die Gründe für die Wertsteigerung in der einzelnen Agrargenossenschaft sind ebenso vielfältig wie die Abnahme der Mitgliederzahl.

Hohe Wertsteigerung des Genossenschaftsanteils

Ein Ergebnis dieser Entwicklung ist die ebenso exorbitante Wertsteigerung des einzelnen Genossenschaftsanteils/Geschäftsguthabens. In unserer Praxis kam es vor, dass auf einen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 2.000,00 € ein tatsächlicher Wert (Verkehrswert) in Höhe von 380.000 € entfiel. Die Genossen konnten ihren jeweiligen Genosschenschaftsanteil für 380.000 € an einen Interessenten verkaufen.

Einige Juristen meinen, ein Genossenschaftsanteil habe über den eingezahlten Nennbetrag keinen weiteren Wert, weil der Genosse nach der Kündigung seiner Mitgliedschaft in der Genossenschaft oder bei Tod als Abfindung nach § 73 Abs. 2 GenG nur seinen eingezahlten Nennbetrag erhält. Weitere Zahlungsansprüche könne der Genosse gegenüber der Genossenschaft nicht verlangen, sieht man von den geringen Beträgen aus einem gebildeten Fonds ab.

Diese Auffassung ist unrichtig. Ein Genosse kann jederzeit sein Geschäftsguthaben an einen Mitgenossen oder an einen außenstehenden Dritten verkaufen und übertragen, § 76 GenG. Der Verkauf von Geschäftsguthaben erfolgt nicht zum Nennbetrag, sondern außschließlich in allen von unserer Kanzlei betreuten Fällen nach fairen Kaufpreisverhandlungen zwischen Verkäufer und Käufer zu einem vielfachen Kaufpreis des Nennwerts.

Wird die Genossenschaft aufgelöst, wird nicht nur der Nennbetrag des Genossenschaftsanteils zurückgezahlt, sondern das gesamte Restvermögen an die Genossenschaftsmitglieder verteilt, § 78 Abs. 1 GenG (vgl. auch Beuthin, Erwerben Genossenschaftsmitglieder „genossenschaftliches Eigentum“?, NZG 2022, 1323). Das Restvermögen kann ebenso ein Vielfaches gegenüber dem Nennbetrag der Genossenschaftsanteile betragen.

Faktische Enteignung des Genossen bei Kündigung oder Tod durch den/des Genossen nach § 73 Abs. 2 GenG

Der insgesamt erfreuliche Vermögenszuwachs des Genossenschaftsanteils führt zu der Frage, ob die Regelungen im Genossenschaftsgesetz die Besonderheiten in Agrargenossenschaften beachten.

So ist es nicht mehr verständlich, wenn ein Genossenschaftsmitglied seine Genossenschaftsanteile kündigt oder durch Tod ausscheidet und zum Nennbetrag des Genossenschaftsanteils aus der Genossenschaft ausscheidet. Nach der jetzigen Regelung in § 73 GenG erhält das Genossenschaftsmitglied in unserem oben aufgeführten Fall eine Abfindung bzw. ein Auseinandersetzungsguthaben in Höhe von 2.000 €, auch wenn sein Genossenschaftsanteil einen tatsächlichen Wert von 380.000 € verkörpert. Hier liegt ein auffälliges Leistungsmissverhältnis nach dem Rechtsgedanken des § 138 Abs. 1 BGB vor. Im groben Widerspruch zu den Werteregelungen in § 138 Abs. 1 BGB (Nichtigkeit bei Wucher) regelt § 73 GenG:

„(2) Die Auseinandersetzung erfolgt unter Zugrundelegung der Bilanz. … Auf die Rücklagen und das sonstige Vermögen der Genossenschaft hat das Mitglied … keinen Anspruch.“

Heute ist es einem Genossenschaftsmitglied einer Agrargenossenschaft dringend abzuraten, sein Genossenschaftsanteil zu kündigen, um den hohen Wert seines Genossenschaftsanteils nicht nach § 73 GenG zu verlieren.

Scheidet der Genosse durch Tod aus der Agrargenossenschaft aus, haben die Erben ein vergleichbares Problem. In der Mehrzahl der vom Genossenschaftsverband empfohlenen Satzungen, ist eine angemessene und gerechte Erbfolge nicht geregelt. Die Erben erhalten in unserem Beispiel wie bei der Kündigung nach § 73 Abs. 2 GenG lediglich eine Abfindung in Höhe des Nennbetrags von 2.000 €, auch wenn das  Genossenschaftsguthaben des Erblassers einen Verkehrswert von 380.000 € verkörpert.

Diese Ergebnisse sind Folge eines Genossenschaftsgesetzes, das die Besonderheiten der Agrargenossenschaften in den neuen Bundesländern nicht berücksichtigt. Um diesen ungerechten Ergebnissen aus dem Weg zu gehen zu können, sollten die Genossenschaftsmitglieder die Genossenschaft in eine andere Gesellschaftsform, wie die GmbH oder die Aktiengesellschaft umwandeln. In diesen Gesellschaftsformen, sind die Geschäftsanteile oder Aktien vererbbar und man erhält eine angemessene Abfindung bei Ausscheiden.

Ebenso kann die Genossenschaft aufgelöst werden. Nach § 78 Abs. 1 GenG wird nach der Abwicklung der Genossenschaft das gesamte verbleibende Vermögen an die Genossenschaftsmitglieder verteilt. In unserem Beispiel werden 380.000 € abzüglich der anteiligen Abwicklungskosten an jedes Genossenschaftsmitglied ausgezahlt.

Allerdings hat der Genossenschaftsverband abermals in seinen empfohlenen Satzungsentwürfen erschwerend eine 90-prozentige Mehrheit für eine Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz oder die Auflösung der Genossenschaft vorgeschlagen, obwohl nach dem Genossenschaftsgesetz 75 % der abgegebenen Stimmen ausreichen. Die Empfehlung des Genossenschaftsverbands erschwert den Wechsel zur GmbH oder Aktiengesellschaft oder die Auflösung.

Wie kann der Genosse den Wert seiner Genossenschaftsanteile retten – Verwässerung Genossenschaftsanteile?

In unserem Beitrag wollen wir der Frage nachgehen, ob es bei Agrargenossenschaften mit sehr hohem Vermögen und kleiner Mitgliederzahl gesetzeskonform ist, wenn neue Genossenschaftsanteile zum Nennbetrag, in unserem Fall zu 2.000 € gezeichnet werden können, obwohl die bereits bestehenden Genossenschaftsanteile/Geschäftsguthaben jeweils einen tatsächlichen Wert von 380.000 € erreichen. Insbesondere ist eine Antwort zu suchen, inwieweit ein Vorstand durch Annahme eines neuen Mitgliedsantrags oder durch die Genehmigung neuer Geschäftsanteile haftbar gemacht werden kann. Denn die Zulassung neuer Geschäftsanteile zum Nennbetrag von 2.000 € ohne Aufgeld/Eintrittsgeld führen zu erheblichen willkürlichen Verwässerungen der bereits bestehenden Geschäftsanteile. Auch werden neben den Vermögenswerten der Alt-Genossenschaftsanteile die Stimmrechte verwässert, was sie an anderer Stelle nachlesen können.

Umwandlung/Formwechsel der Genossenschaft

Die Genossen, die ihr teilweise seit den 50igern aufgebautes genossenschaftliches Vermögen

– erhalten oder

– verkaufen und anderweitig anlegen,

– es für die Rente oder

– die Pflege absichern oder

– sicher vererben

wollen, können sich vor dem Verlust ihres Vermögens aus dem Genossenschaftsanteil durch eine Umwandlung der Genossenschaft in eine andere Gesellschaftsform z.B. die GmbH absichern.

Die umgewandelte Genossenschaft, jetzt als GmbH, kennt den Verlust

– einer Abfindung,

– eines Auseinandersetzungsguthabens oder

– des Erbes

im Fall der Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH nicht.

Nur die Genossenschaft beschneidet das Vermögen des Genossen in diesen Fällen. Sie ist als Gesellschaftsform eines erfolgreichen landwirtschaftlichen Betriebs schon seit vielen Jahren (für uns schon seit der Umwandlung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz) nicht mehr geeignet.

Für eine Umwandlung verlangen die meisten, vom Genossenschaftsverband empfohlenen Satzungen eine Mehrheit von 90% der abgegebenen Stimmen. Warum die Empfehlungen des Genossenschaftsverbandes höhere Hürden für eine Umwandlung in eine andere Gesellschaftsform als das Gesetz enthalten, liegt wohl auch im Interesse des Genossenschaftsverbands als Prufungsverband. Denn nach der Umwandlung in eine GmbH verliert der Prüfungsverband automatisch sein Prüfungsmandat; die Genossenschaft als Kunde geht dem Verband nach einer Umwandlung für immer verloren.

Wie eine Umwandlung von der Genossenschaft in eine GmbH durchgeführt wird, lesen Sie hier.

Auflösung der Genossenschaft

Die Genossenschaft kann durch einen Generalversammlungsbeschluss aufgelöst, danach abgewickelt und am Ende kann das verbliebene Genossenschaftsvermögen vollständig an die Genossen verteilt werden. Nach § 78 Abs. 1 GenG wird nach der Abwicklung das gesamte Vermögen an die Genossenschaftsmitglieder verteilt, welches in unserem Beispiel pro Mitglied einen Betrag von 380.000 € abgzüglich der Abwicklungskosten ausmacht.

Mit wirksamen Auflösungsbeschluss dürfen keine weiteren Genossenschaftsmitglieder in die Genossenschaft aufgenommen oder neue Geschäftsanteile gezeichnet werden.

Die Zeichnung weiterer Geschäftsanteile durch ein Mitglied ist mit dem Wesen der Liquidation nicht zu vereinbaren. Mit der Auflösung der Genossenschaft ändert sich deren Zweck dahin, dass nunmehr die Geschäfte abzuwickeln sind und das Vermögen aufzuteilen ist. Der Erwerb ist rechtlich nicht mehr möglich, wenn die Auflösung beschlossen oder kraft Gesetzes eingetreten ist.“ OLG Brandenburg, Urteil vom 30.11.2022 – 7 U 193/21
Eine willkürliche Verwässerung der Genossenschaftsanteile ist mit dem Auflösungsbeschluss der Generalversammlung unterbunden.
.

Verhinderung einer Wertverwässerung der bestehenden Genossenschaftsanteile bei Neuzeichnungen

In der Regel genehmigt der Vorstand einen Antrag auf Beitritt in die Genossenschaft bzw. Neuzeichnungen von weiteren Genossenschaftsanteilen.

Die Neuzeichnung von Genossenschaftsanteilen ist eine Kapitalerhöhung (vgl. Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 16.06.2021 – 1 K 89/16). Die Summe der Genossenschaftsanteile als das Haftkapital wird durch die Neuzeichnung erhöht.

Für die Kapitalerhöhung in einer GmbH oder eine Aktiengesellschaft mit Bezugsrechtsausschluss müssen eine Vielzahl von gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein, beispielsweise für die Aktiengesellschaft

– die Einberufung einer Hauptversammlung, §§ 123f, 182, 183 AktG,

– der schriftliche Bericht darüber, dass nicht jeder Aktionär im Rahmen der Kapitalerhöhung Aktien beziehen darf (Ausschluss des Bezugsrechts), § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG,

– der Hauptversammlungsbeschluss über die Kapitalerhöhung mit einer Mehrheit von mindestens 75% des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals, §§ 130, 186 Abs. 3 und Abs. 4 AktG, es sei denn, die Satzung fordert eine höhere Mehrheit,

– die Beachtung des Gleichbehandlungsgebots aller Aktionäre, § 53a AktG und

– das Recht der Anfechtungsrecht, wenn der Ausgabebetrag für neue Aktien unangemessen niedrig ist, § 255 Abs. 2 AktG.

Die erschwerten Voraussetzungen dienen dem Schutz der Rechte der GmbH-Gesellschafter oder der Aktionäre z.B. um Ungleichbehandlungen wie Wertverwässerungen der Beteiligung oder Stimmverwässerungen zu verhindern.

Im Genossenschaftsrecht finden sich keine Regelungen zu einer Kapitalerhöhung.

Der Vorstand der Genossenschaft entscheidet allein über die Zulassung neuer Mitglieder oder die Zeichnung neuer Genossenschaftsanteile.

Den Genossen fehlt damit der Schutz vor fehlerhaften Zeichnungen neuer Genossenschaftsanteile bis zum Missbrauch.

Die vermeintliche Freiheit des Vorstands einer Genossenschaft kann im Zusammenhang mit der Neuzeichnung von Geschäftsanteilen zu großen Ungerechtigkeiten innerhalb der Genossenschaft und unterhalb der Genossenschaftsmitglieder führen. Ungerechtigkeiten können entstehen, weil

– der Vorstand ohne Zustimmung des Aufsichtsrates oder der Generalversammlung über die Neuzeichnung allein entscheiden kann,

– keine Begründungen für die Kapitalmaßnahme abgeben muss,

– Genossen vom Bezugsrecht neuer Genossenschaftsanteile ausschließen und innerhalb der Genosenschaft erhebliches Vermögen unter den Genossen sowie das Stimmrecht verschieben kann.

Ein einfaches Beispiel:

Vorher

Ist das Unternehmen der Genossenschaft insgesamt 1 Million € wert und sind an der Genossenschaft zehn Genossen mit jeweils einem Genossenschaftsanteil (Nennbetrag 500 €) beteiligt, beträgt der tatsächliche Wert des einzelnen Genossenschaftsanteils 100.000 € (1 Million Wert : 10 Genossenschaftsanteile = 100.000 € Wert pro Genossenschaftsanteil). Die Genossen haben insgesamt 5.000 € auf ihre Geschäftsanteile eingetzahlt (10 Genossenschaftsanteile x 500 € Nennbetrag).

Der Vorstand lässt 2 neue Genossen mit je einem Genossenschaftsanteil zu. Beide neuen Genossen zahlen jeweils 500 € auf ihre neuen Anteile ein.

Nachher

Nimmt der Vorstand die Beitrittsanträge zweier neuer außenstehender Personen mit jeweils einem neuen Genossenschaftsanteil an und zahlen beide neuen Mitglieder jeweils 500 € auf den Nennbetrag für die neuen Geschäftsanteile in die Genossenschaft ein, verändert sich der Wert des Unternehmens der Genossenschaft lediglich um 1.000 € (2 × 500 € Einzahlung auf den jeweiligen Geschäftsanteil).

Die tatsächlichen Werte der Genossenschaftsanteile der 10 Alt-Mmitglieder verschieben sich innerhalb der Genossenschaft ungerechterweise ganz erheblich zugunsten der Neu-Mitglieder.

Vor der Zeichnung zweier neuer Geschäftsanteile teilten sich zehn Mitglieder das Vermögen des Unternehmens in Höhe von 1 Million € auf, nach der Zeichnung sind es zwölf Mitglieder und das Vermögen des Unternehmens steigt um 1.000 € auf 1.001.000 €.

Vor der Neuzeichnung errechneten sich für zehn Altanteile jeweils ein Wert in Höhe von 100.000 €, nach der Zeichnung zweier neuer Geschäftsanteile, sank deren Wert auf jeweils 83.333 € für zwölf Geschäftsanteile (1.001.000 : 12 = 83.333).

Nach dieser Rechnung verloren zehn Alt-Genossen jeweils ca. 17.000 €. Die zwei Neu-Genossen mit einem Genossenschaftsanteil, die 500 € in die Genossenschaft einzahlten, konnten sich 1 Sekunde später jeweils über einen Geschäftsanteil nun in Höhe von 83.333 € freuen.

Eine solche Vermögensverschiebungen innerhalb der Genossenschaft und zwischen den Genossen untereinander ist nicht zu rechtfertigen, schon gar nicht ohne Zustimmung des einzelnen benachteiligten Alt-Genossen.

Ende Beispiel

In der GmbH oder AG steht jedem Gesellschafter/Aktionär die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung zu. Alle Gesellschafter werden gleich behandelt. Soll ein Gesellschafter von der Teilnahme an der Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden (Bezugsrechtsausschluss), müssen ganz erhebliche weitere Voraussetzungen für die wirksame Kapitalerhöhung erfüllt werden. In jedem Fall hat der Geschäftsführer bei einem Bezugsrechtsausschluss dafür zu sorgen, dass sämtliche Gesellschafter gleich behandelt werden (vgl. BGH Urteil vom 10. Juli 2018 – II ZR 120/16; § 53a AktG). Eine Gleichbehandlung liegt nicht vor, wenn im Rahmen der Kapitalerhöhung die Beteiligungen an der GmbH oder Aktiengesellschaft der Gefahr einer willkürlichen Verwässerung unterliegen.

Eine Kapitalerhöhung in der Genossenschaft verlangt diese Voraussetzung wie für eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft nicht. Der Vorstand einer Genossenschaft hat quasi keine Formalien für eine Kapitalerhöhung einzuhalten. Der Vorstand muss nicht einmal unterscheiden zwischen Bezugsrecht von neuen Genossenschaftsanteilen und Bezugsrechtsausschluss. Der Vorstand kann den Beitritt einzelner Personen oder die Zeichnung einzelner zusätzlicher Genossenschaftsanteile genehmigen, ohne die anderen Alt-Genossen zu befragen oder einen Beschluss einzuholen. Wird nicht jeder Genosse in eine Neuausgabe von Genossenschaftsanteilen eingebunden, ein Bezugsrechtsausschluss vor.

Der Vorstand einer Genossenschaft unterliegt insbesondere bei einem in der Praxis fast immer vorliegenden Bezugsrechtsausschluss wegen seiner alleinigen Entscheidungsgewalt einer ganz besonderen anspruchsvollen Treuepflicht gegenüber den Genossen. Der Vorstand hat zwar ein Entscheidungsermessen. Grenzen des Ermessens sind jedoch eine Ungleichbehandlung der Genossen (auch) im Zusammenhang mit der Neuzeichnung von Genossenschaftsanteilen oder allgemein die Verletzung gegen die erforderliche Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstands bis zum Missbrauch.

Satzungsänderung zum Schutz vor Verwässerungen des Geschäftsanteils

Erhöhung des Nennbetrags der Genossenschaftsanteile

Die Satzung der Genossenschaft kann ein Mindestkapital der Genossenschaft festlegen. Die Genossenschaftsanteile können erhöht werden, § 16 Abs. 2 Nr. 2 GenG. Das Mindestkapital für den Geschäftsanteil könnte im eben beschriebenen Fall von 500 € auf 80.000 € erhöht werden. Diese Kapitalerhöhung kann aus Gesellschaftsmitteln finanziert werden, sodass die Genossen keine neuen Einzahlungen auf ihre Geschäftsanteile leisten müssen. Im Falle der Beendigung der Mitgliedschaft wäre dann sichergestellt, dass der Genosse sein Geschäftsguthaben mindestens in Höhe von 80.000 € erhält, wenn er kündigt oder durch Tod ausscheidet und weitere erforderliche Voraussetzungen vorliegen.

Ob die weiteren Voraussetzungen gegeben sind, muss im Einzelfall geprüft werden. Hierzu gehören die Beantwortung bilanzieller Fragen, die Beachtung der Grundsätze zur Kapitalerhaltung, usw. Auch sind bei Abfindungszahlungen beispielsweise die Voraussetzungen des § 8a GenG zu beachten.

Das Mindestkapital für den Geschäftsanteil kann z.B. auch auf nur 30.000 € erhöht werden. Einfache Neuzeichnungen scheitern dann regelmäßig am hohen Einzahlungsbetrag.

Aufgeld

Die Genossenschaft kann ein Aufgeld (Agio) für den Beitritt bzw. die Neuzeichnung weiterer Genossenschaftsanteile z.B. in Höhe des tatsächlichen Wertes der Altanteile verlangen. Umstritten ist, ob das zusätzliche Aufgeld über den Nennbetrag des Geschäftsanteils hinaus zuvor in der Satzung vereinbart werden muss. Das OLG Bamberg, Urteil vom 07.01.1981 – 3 U 113/80 verlangt keine Satzungsregelung für das Aufgeld.

„Die Erhebung eines Eintrittsgeldes durch den Vorstand einer Genossenschaft ist auch bei fehlender Regelung in der Satzung zulässig.“

Die Literatur ist anderer Ansicht und besteht auf eine Satzungsregelung, um ein Gutdünken des Vorstands entgegenzutreten. Vorsichtshalber sollte die Satzung eine Aufgeldregelung nach Art und Höhe enthalten.

Zustimmung Aufsichtsrat und Genossen

In der Satzung kann auch die Regelung aufgenommen werden, dass der Aufsichtsrat oder sämtliche Genossen einer Neuzeichnung eines Genossenschaftsanteils zustimmen müssen. Ist nur ein Genossenschaftsmitglied mit einer Neuzeichnung nicht einverstanden, muss eine Neuzeichnung des Genossenschaftsanteils unterbleiben. Durch diese Regelung kann sichergestellt werden,  dass der neue Genossenschaftsanteil nur dann gezeichnet werden kann, wenn der Zeichner über den Nennbetrag des Genossenschaftsanteil hinaus einen angemessenen Aufgeldbetrag/Eintrittsgeld  (Agio) zahlt. Nach unserem Fall muss der Zeichner neben 500 € Nennbetrag weitere 99.500 € Aufgeld für einen neuen Geschäftsanteil in die Genossenschaft einzahlen. Ohne das Aufgeld wird einer oder mehrere der Genossenschaftsmitglieder eine Neuzeichnung wegen Verwässerung der Vermögen der Genossenschaftsanteile verweigern können.

Wird die Aufnahme eines neuen Mitglieds oder die Neuzeichnung weiterer Geschäftsanteile von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig gemacht, liegt die Verantwortung in mehreren Händen, die eine größere Kontrolle gegen Mißbrauch absichert.

Abfindung bzw. Auseinandersetzungsguthaben bei Kündigung oder Tod

Die Auseinandersetzung bei Kündigung oder Tod iSv § 73 GenG ist vom Gesetz zwingend vorgeschrieben. Die Satzung darf von den Bestimmungen in § 73 GenG nicht abweichen und keinen höheren Auseinandersetzungsanspruch als in § 73 Abs. 2 GenG festlegen. Deshalb sind in der Satzung vereinbarte Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche bei Kündigung der Mitgliedschaft oder im Erbfall mit wenigen unbedeuteten Ausnahmen nicht möglich. Der Genosse sollte deshalb eine Kündigung seines Genossenschaftsanteils in jedem Fall unterlassen. Gleichzeitig ist der Werterhalt des Vermögens aus dem Genossenschaftsanteil mit einer Erbregelung in der Satzung abzusichern.

Änderung der Erbregelungen in Satzung

Nach § 77 Abs. 1 GenG geht mit dem Tod eines Mitglieds die Mitgliedschaft auf den Erben über. Allerdings endet die Mitgliedschaft des Erben mit dem Schluss des Geschäftsjahres, in dem der Erbfall eingetreten ist. Nach dieser Regelung scheidet der Erblasser und der Erbe am Ende des Sterbejahres aus. Der Erbe erhält allenfalls den Nennbetrag des Genossenschaftsanteils (in unserem oben genannten Fall = 500 €), auch wenn der wahre Wert des Genossenschaftsanteils viel höher liegt (in unserem oben genannten Fall = 100.000 Euro). Der Erbe verliert 99.500 €. Dieses Vermögen wächst den verbleibenden Mitgliedern anteilig zu.

Dieses unverträgliche, geradezu gesetzlich verankerte unanständige Ergebnis kann durch eine Satzungsänderung der Genossenschaft aufgehoben werden. Denn die Satzung kann nach § 77 Abs 2 GenG bestimmen, dass im Falle des Todes eines Mitglieds dessen Mitgliedschaft in der Genossenschaft durch dessen Erben fortgesetzt wird.

Korrektur der Verwässerung der Genossenschaftsanteile bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, können die benachteiligten Alt-Genossen verlangen so gestellt werden, wie die bevorzugten (Neu-)Genossen gestellt worden sind. Auch kann der einem bestimmten (Neu-)Genossen gewährter Vorteil unter diesen und den benachteiligten Genossen aufgeteilt werden.

„Die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann auch den Anspruch begründen, die benachteiligten Genossen so zu stellen, wie die bevorzugten Mitglieder gestellt worden sind, oder einen bestimmten Genossen gewährten Vorteil unter diesen und den benachteiligten Genossen aufzuteilen.“ BGH, Urteil vom 11. Juli 1960 – II ZR 24/58

Haftung des Vorstands der Genossenschaft I Verwässerung Genossenschaftsanteile

Der Vorstand haftet für Pflichtverletzungen grundsätzlich gegenüber der Genossenschaft. Genossenschaftsmitglieder können deshalb gegen den Vorstand keine direkten Schadensersatzansprüche verfolgen. Dafür ist allein die Gesellschaft zuständig (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2021 – III ZR 157/19).

Ausnahmsweise sind Genossenschaftsmitglieder nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 Abs. 1 StGB  oder § 826 BGB befugt, Wertminderungen ihrer Beteiligungen gerichtlich gegen den Vorstand geltend zu machen und Zahlungen an sich selbst zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2021 – III ZR 157/19).
Erfolgreich ist der Zahlungsanspruch gegen den Vorstand, wenn durch die neue Zeichnung von Genosenschaftsanteilen die Altanteile im Wert vermindert (Wertverwässerung) oder der Stimmrechtseinfluss herabgesetzt (Stimmrechtsverwässerungen) wurden und die Voraussetzungen nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB oder nach 826 BGB vorliegen.
.

Zurück zum ersten Fall

Folgendes in der Praxis sehr oft zu beobachtende Beispiel soll Grundlage der weiteren Prüfungen zur Haftung des Vorstands sein.

Zunächst orientieren wir uns an den oben unter „Hohe Wertsteigerung des Genossenschaftsanteils“ vorgestellten Zahlen.

Eine Agrargenossenschaft hat 40 Mitglieder. Jedes Mitglied erhält einen Genossenschaftsanteil im Nennbetrag von 2.000 €

Der tatsächliche Wert des Unternehmens der landwirtschaftlichen Genossenschaft wurde von einem erfahrenen Wirtschaftsprüfer nach einer gängigen Methode, insbesondere der Substanzwertmethode, mit 15.200.000 € festgestellt.

Der Wert eines Genossenschaftsanteils im Nennbetrag von 2.000 € beträgt danach tatsächlich 380.000 €.

.

Wert der Agrargenossenschaft: ………………………………. 15.200.000 €

40 Genossenschaftsmitglieder Nennbetrag jeweils: …………. 2.000 €

Tatsächlicher Wert eines Genossenschaftsanteils: ………….380.000 €

.

Der Vorstand kennt

– den Wert der Agrargenossenschaft in Höhe von 15.200.000 €,

– die Anzahl der Genossenschaftsanteile im Nennbetrag von 2.000 € und

– den tatsächlichen Wert des Genossenschaftsanteils in Höhe von 380.000 €.

Der Vorstand kennt auch die Gesetze, insbesondere das Genossenschaftsgesetz und viele Beispiele über den Verkauf von Genossenschaften mit den Unterschieden von hohem Kaufpreis zum Nennbetrag des Genossenschaftsanteils aus der Nachbarschaft.

Der Vorstand möchte seine Familie von den Werten der Genossenschaft profitieren lassen und stimmt den Beitritt seiner Ehefrau und seiner vier Kinder in die Agrargenossenschaft zu. Alle fünf Familienmitglieder zahlen jeweils 2.000 € auf den Nennbetrag des jeweiligen Geschäftsanteils in die Genossenschaft ein. Nunmehr stellt sich folgendes Bild:

.

Wert der Agrargenossenschaft alt: ………………………… 15.200.000 €

Einzahlung auf die fünf neu gezeichneten Anteile: …………  10.000 €

———————————————————————————————————————————-

Wert der Agrargenossenschaften neu: ……………………  15.210.000 €

45 Genossenschaftsmitglieder Nennbetrag jeweils: …………. 2.000 €

Tatsächlicher Wert eines Genossenschaftsanteils neu: …. 338.000 €

.

Die Zulassung fünf weiterer neuer Mitglieder in die Agrargenossenschaft bei Einzahlung lediglich des Nennbetrags in Höhe von 2.000 € pro neuem Genossenschaftsanteil führt dazu, dass die Genossenschaftsanteile der 40 Altmitglieder von jeweils 380.000 € auf jeweils 338.000, also um 42.000 € sinken. Insgesamt verlieren die 40 Altmitglieder Vermögenswerte in Höhe von 1.680.000 €.

Die fünf Familienmitglieder, also die neuen Genossenschaftsmitglieder, haben lediglich 5 × 2.000 €, also insgesamt 10.000 € in die Genossenschaft eingezahlt. Dennoch sind auch die neuen Genossenschaftsanteile „mit einem Schlag“ jeweils 338.000 €, insgesamt 1.680.000 € wert. Die fünf Familienmitglieder des Vorstands zahlen also 10.000 € in die Genossenschaft ein erhalten jedoch einen Vermögenswert von 1.680.000 €. Der Gewinn der Familie des Vorstands beträgt unmittelbar mit Eintritt in die Genossenschaft 1.670.000 €.

Abwandlung des Falls

Wie der Ausgangsfall, aber

– der Vorstand und 4 Freunde aus der Genossenschaft zeichnen insgesamt 5 neue Genossenschaftsanteile oder

– der Vorstand genehmigt die Aufnahme von 5 Freunden, die bisher keine Genossenschaftsmitglieder waren (möglicherweise mit cashback).

Haftung des Vorstands nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte der Genossenschaftsmitglieder

Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB können vorliegen, wenn der Vorstand ein absolutes Recht des Genossenschaftsmitglieds schuldhaft verletzt. Ein absolutes Recht ist die Mitgliedschaft des Genossen. Das Mitgliedschaftsrecht eines Genossen ist vor Eingriffen Dritter geschützt, wenn ein Eingriff sich unmittelbar gegen den Bestand oder die in der Mitgliedschaft verkörperten Rechte richtet, vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1990 – II ZR 179/89; KG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2021 – 2 U 121/18). 

Ein Genosse ist in seinen Rechten verletzt, wenn das Mitgliedschaftsrecht durch einen Dritten ganz oder teilweise entzogen wird. Mitgliedschaftsrechte nach § 823 Abs. 1 BGB sind z.B.

– Teilnahmerechte,

– Stimmrechte, § 43 GenG,

– Gewinnbezugsrechte, § 19 GenG,

– Abwicklungserlösrechte nach Auflösung der Genossenschaft, § 91 GenG,

– Rechte auf Verkauf von Geschäftsguthaben zum tatsächlichen Wert, § 76 GenG,

– Gleichbehandlungsrechte (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 09.07.2008 – 6 W 89/08 zum Ermessensmissbrauch),

– etc.

Werden dem Genossen ein oder mehrere grundlegende Mitgliedschaftsrechte entzogen, ist ein mitgliedschaftsbezogener Eingriff gegeben.

Werden Genossenschaftsanteile von Agrargenossenschaften durch Aufnahme neuer Mitglieder oder Zeichnung weiterer Genossenschaftsanteile zu einem Nennbetrag von 2.000 € bei einem tatsächlichen Wert der Altgenossenschaftsanteile von 380.000 € verwässert, wird auch das Gewinnbezugsrecht, das Abwicklungserlösrecht oder das Recht auf Verkauf von Geschäftsguthaben zum tatsächlichen Wert teilweise entzogen. Gleichzeitig liegt eine Verletzung der Gleichbehandlungsrechte des Genossen vor.

Umstritten ist, ob der Vorstand der Genossenschaft Dritter im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB sein kann. Nach der herrschenden Meinung in der Literatur kann auch der Vorstand der Genossenschaft insoweit Dritter sein. Auch nach einem Urteil des BGH vom 12. März 1990 – II ZR 179/89 besteht kein Grund zu der Annahme, der Vorstand könne nicht nach § 823 Abs. 1 BGB in Haftung genommen werden:

„Des weiteren besteht kein Anlaß anzunehmen, das Mitgliedschaftsrecht könne nur durch außenstehende Dritte und nicht auch durch andere Vereinsmitglieder oder einzelne Vereinsorgane verletzt werden …“

Auch in der GmbH erkennt das Urteil des BGH vom 8. November 2022 – II ZR 91/21 direkte Ansprüche des Gesellschafters gegen den Geschäftsführer aus der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten des Gesellschafters durch den Geschäftsführer an.

Der Vorstand unterliegt dem Verbot eines Ermessensmissbrauchs (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 09.07.2008 – 6 W 89/08 zum Ermessensmissbrauch).

„Außerhalb dieses abschließenden Kataloges, insbesondere auch für die Anzahl der Geschäftsanteile, gibt es … ein Recht relativer Gleichbehandlung. Dies bedeutet, dass jedes Mitglied bei gleichen Voraussetzungen das Recht auf Gewährung gleicher Rechte und auf Auferlegung lediglich gleicher Pflichten hat, und dass bei ungleichen Voraussetzungen eine sachlich angemessene Differenzierung der Rechte und Pflichten der Mitglieder gerechtfertigt ist. Das Gleichbehandlungsgebot räumt damit einen Ermessenspielraum ein, der seine Schranken erst im Ermessensmissbrauch findet ….“

Der Vorstand missbraucht sein Ermessen, wenn er in unserem Beispiel

– unter Missachtung der Gewährung gleicher Rechte aller Genossen (Bezugsrechtsausschluss der Alt-Genossen),

– neue Mitglieder aufnimmt oder die Zeichnung neuer Genossenschaftsanteile für nur einzelne Personen genehmigt,

– lediglich den Nennbetrag von 2.000 € für den Genossenschaftsanteil zur Einzahlung verlangt und

– den tatsächlichen Wert der Alt-Genossenschaftsanteile zugunsten der Neu-Genossenschaftsanteile unanständig verwässert.

Im Einzellfall ist zu prüfen, ob der Vorstand der Genossenschaft mit der Aufnahme neuer Mitglieder oder Zeichnung weiterer Genossenschaftsanteile bei damit verbundener hohen Wert- und Stimmverwässerung der Altanteile zum Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet ist.

Haftung des Vorstands nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB wegen Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht zulasten der Genossenschaftsmitglieder

Nach der Untreueregelung des § 266 Abs. 1 StGB haftet der Vorstand der Genossenschaft als gesetzlicher Vertreter, wenn er seine Vermögensbetreuungspflicht mißbraucht bzw. verletzt und dadurch den Betroffenen einen Schaden zufügt. Das Genossenschaftsvermögen sowie das Vermögen der Genossenschaftsmitglieder kann von der Untreuehandlung betroffen sein.

§ 266 Abs. 1 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1987 – VI ZR 282/85; Urteil vom 24. April 2018 – VI ZR 250/17; BGH, Urteil vom 18. Januar 2021 – III ZR 157/19).

Genossen können durch Pflichtverletzungen des Vorstands dadurch geschädigt werden, dass ihre Genossenschaftsanteile und Ihre Stimmrechte entwertet werden.

„Die Investoren haben wegen der Wertminderung der Beteiligung dem Grunde nach einen Anspruch aus § 826 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB), denn auch die Schädigung des Vermögens einer (Kommandit-)Gesellschaft kann zu einem Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB führen, wenn sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt, sich also – was bei nicht wertentsprechend ausgeglichenen Entnahmen aus dem Fondsvermögen regelmäßig anzunehmen ist – auch nachteilig auf deren Vermögen auswirkt.“  BGH, Urteil vom 18. Januar 2021 – III ZR 157/19
Für Werverschiebungen der Genossenschaftsanteile
– innerhalb der Genossenschaft,
– durch Neuaufnahme von Mitgliedern oder
– Neuzeichnungen weiterer Genossenschaftsanteile,
– unter Verletzung der aktienrechtlichen Regelungen zu einem Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3f AktG
– durch den Vorstand
haftet der Vorstand nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266 StGB.
Das Genossenschaftsgesetz enthält keine Regelungen zu einer Kapitalerhöhung. Die Zeichnung neuer Genossenschaftsanteile ist eine Kapitalerhöhung. Eine Kapitalerhöhung darf nur unter sehr strengen Vorraussetzungen durchgeführt werden. Insbesondere ist das Gleichbehandlungsgebot vom Vorstand der Genossenschaft zu beachten. Das Gleichbehandlungsgebot gilt in den besonderen Fällen des Bezugsrechtsausschlusses.
.
Verstößt der Vorstand gegen § 266 StGB, kann der Genosse seinen Schaden direkt gegenüber dem Vorstand geltend machen (vgl. RGZ 157/ 213).
.

Haftung des Vorstands nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung der Genossenschaftsmitglieder

Schadenersatzansprüche aus § 826 BGB können vorliegen, wenn der Vorstand dem Genossenschaftsmitglied in einer die guten Sitten verstoßenden Art einen vorsätzlichen Schaden zugefügt hat.

Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt dabei vor, wenn der Vorstand gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden handelt. Diese Leerformel wurde durch die Rechtsprechung im Hinblick auf den Vorstand weiter konkretisiert. Danach kann ein handeln eines Vorstands der Genossenschaft dann als sittenwidrig angesehen werden, wenn der Vorstand zur Durchsetzung eigener Interessen seine Position in einer Weise missbraucht, die als grobe Missachtung des Mindestmaßes an Loyalität und Rücksichtnahme gegenüber der Genossenschaft und der Genossanschaftsmitglieder zu werten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 334/87).

Diese grobe Verletzung der Vorstandsposition kann grundsätzlich angenommen werden, wenn der Vorstand ihm nahestehende Personen in die Genossenschaft aufnimmt oder die Zeichnung weiterer Genossenschaftsanteile zulässt und dadurch der Wert der Anteile und das Stimmrecht der ursprünglichen Genossenschaftsmitglieder erheblich entwertet wird. Die Entwertung der Genossenschaftsanteile in Verbindung mit den finanziellen Vorteilen für die dem Vorstand nahestehenden Personen kann als höchst verwerflich anzusehen sein. Im Einzelfall können den ursprünglichen Genossenschaftsmitgliedern dadurch hohe Wertverluste bezüglich ihrer Anteile entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2021 – III ZR 157/19) – siehe Beispiele oben). In diesen Fällen kann das Genossenschaftsmitglied den Vorstand direkt auf Schadensersatz in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2021 – III ZR 157/19).

Die Rechtsprechung setzt dem geschädigten Genossenschaftsmitglied gewisse Anforderungen an die Darlegung der Voraussetzungen des § 826 BGB. Es ist dementsprechend für jeden konkreten Einzelfall das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen genauestens zu prüfen.

Haftung des Aufsichtsrats der Genossenschaft bei Verwässerung der Genossenschaftsanteile

Die Mitglieder des Aufsichtsrates einer Genossenschaft haben die Aufgabe, im Interesse der Genossenschaftsmitglieder den Vorstand zu beraten und zu überwachen und zu kontrollieren. Die Aufsichtsratsmitglieder können z.B. wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand haften (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.04.2022 – I-8 U 73/12).

Anknüpfungspunkt für diesen Schadensersatzanspruch sind
– das Unterlassen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Genossenschaft gegen den Vorstand bis zum Verjährungseintritt des Schadensersatzanspruchs,
– durch Beschlüsse des Aufsichtsrats, von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand abzusehen,
– also durch den Verstoß möglicherweise pflichtwidrigem, schadenskausalem Verhalten, ohne das Entschuldigungsgründe vorliegen.
Geht der Aufsichtsrat gegen ermessensmissbräuchliche Handlungen des Vorstands mit der Folge von Wertverwässerungen der Genossenschaftsanteile/Geschäftsguthaben nicht vor, haftet der Aufsichtsrat selbst.
.

Schenkungssteuer

Wenn die Werte der einzelnen Genossenschaftsanteile durch Neuzeichnungen ohne Wertausgleich (ohne Aufgeld nur Nennbetrag) verschoben werden, besteht die Gefahr der Schenkungssteuer. Einzelheiten können hier nachgelesen werden.

Verkauf von Agrargenossenschaften

Einen Überblick über den Verkauf von landwirtschaftlichen Unternehmen können Sie dieser Seite entnehmen.

Haftungshinweis

Die obigen Ausführungen sind nicht generell anwendbar. Jeder Einzellfall ist genau zu prüfen. Empfohlen wird eine sachgerechte Prüfung des Einzelfalls durch einen Rechtsberater. Löffler. Rechtsanwälte übernehmen keine Haftung.

Mehr zur Genossenschaft

Was können wir für Sie tun?

Wünschen Sie eine Rechtsberatung zum Gesellschafts-, Handels- oder Steuerrecht? Oder haben Sie ein konkretes Thema, von dem Sie denken, dass wir Ihnen helfen können? Dann schreiben Sie uns. Wir werden uns umgehend bei Ihnen melden.

Schreiben Sie hier Ihre Nachricht
Pflichtfeld!
Pflichtfeld!
Ihr Vorname
Pflichtfeld!
Pflichtfeld!
Ihr Nachname
Pflichtfeld!
Pflichtfeld!
Ihre Adresse
Pflichtfeld!
Pflichtfeld!
Postleitzahl
Pflichtfeld!
Pflichtfeld!
Stadt
Pflichtfeld!
Pflichtfeld!
Ihre Telefonnummer
Invalid phonenumber!
Invalid phonenumber!
Ihre E-Mail-Adresse
Pflichtfeld!
Pflichtfeld!
Frank Löffler